Private Hochschulen, hierunter viele Fachhochschulen, haben in den letzten Jahren in Deutschland erheblich zugenommen. Welche Rollen spielen sie in der universitären Landschaft und worauf zielen sie ab?
Nichtstaatliche Hochschulen in Deutschland
Private Hochschulen, hierunter viele Fachhochschulen, haben in den letzten Jahren in Deutschland erheblich zugenommen. Welche Chancen bieten sie in der universitären Landschaft und worauf zielen sie ab?
„In den letzten Jahren hat die Zahl neuer Bildungsanbieter im Hochschulbereich zugenommen. Vielfach werden sie mit Bezeichnungen wie University, Akademie, Management- oder Business School tätig.“ Als der Wissenschaftsrat diese Aussage im Januar 2000 traf und bald darauf das Verfahren der institutionellen Akkreditierung nichtstaatlicher Hochschulen aufnahm, gab es etwa zwei Dutzend solcher Bildungseinrichtungen in Deutschland. Die Lage hat sich inzwischen noch einmal deutlich gewandelt: Zählt man die Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft hinzu, so befindet sich inzwischen ein Drittel aller Hochschulen in Deutschland in privater Trägerschaft; ihre Zahl ist laut Hochschulrektorenkonferenz auf ca. 140 (Juli 2011) angestiegen. In Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 25 nichtstaatlichen Hochschulen ist bereits fast jeder dritte Fachhochschul-Studierende (Fußnote: 28% inklusive der kirchlichen Fachhochschulen, Statistisches Bundesamt, WS 2010/11) an einer nichtstaatlichen Einrichtung immatrikuliert. Auffällig ist allerdings nicht nur die große Zahl an nichtstaatlichen Hochschuleinrichtungen, sondern auch die relativ geringe Anzahl ihrer Studierenden: gegenwärtig knapp 100.000 von etwa 2,1 Mio. (Statistisches Bundesamt, WS 2009/10) Studierenden insgesamt.
Private Hochschulen werden jedoch für diejenigen, die Studiengebühren in der jeweils geforderten Höhe aufbringen können oder hierzu eine Förderung etwa in Form eines Stipendiums erhalten, zu einer zunehmend attraktiven Alternative.
Diese Entwicklung ist eingebettet in die Globalisierung und Ökonomisierung des „Bildungsmarktes“. Dieser ist in Bewegung, diversifiziert sich zunehmend, wird internationaler und zunehmend auch unübersichtlicher. Für private Initiativen eröffnet sich damit ein erheblicher Spielraum in der Ausgestaltung ihrer Bildungsangebote und Organisationsformen. Da diese Einrichtungen akademische Grade vergeben und als „Hochschule“ mit den entsprechenden Reputationsgewinnen national und international agieren wollen, ist in einem förmlichen Verfahren sicherzustellen, dass sie die erforderlichen akademischen Freiheiten gewährleisten und in der Lage sind, Leistungen in Lehre und Forschung zu erbringen, die anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben entsprechen. Die institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat, die diesem Zweck dient, trägt zugleich zum Schutz der Studierenden sowie der privaten und öffentlichen Arbeitgeber als Abnehmer der Absolventen bei.
Die Ziele, die mit Neugründungen privater Hochschulen verbunden werden, sind ebenso vielfältig wie Herkunft und Selbstverständnis ihrer Gründer. Gründungsinitiativen gehen von Privatpersonen, Unternehmern, Stiftungen, Firmen, Verbänden, Vereinen, kirchlichen Vereinigungen und vereinzelt sogar von Handelskammern oder Kommunen aus. Entsprechend variieren die mit den Gründungen verbundenen Intentionen: sei es, einen nachhaltigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems in Deutschland oder zur Reform einer spezifischen Disziplin zu leisten, oder aber auch den Interessen bestimmter Wirtschaftszweige Ausdruck zu verleihen. Schließlich werden auch zahlreiche Hochschulen primär als privatwirtschaftliche Unternehmungen betrieben. Besonders bei diesen ist die Neigung verbreitet, „Filialen“ an mehreren Standorten im Bundesgebiet oder im benachbarten Ausland zu eröffnen, um die Zahl ihrer Studierenden zu steigern.
Vielfältig ist auch das fachliche Spektrum. Ein eindeutiger Schwerpunkt liegt in Betriebswirtschaftslehre und Management, häufig in Verbindung mit Informations- und Kommunikationswissenschaften. Ähnlich wie im staatlichen Bereich ist eine vielfältige Aufspaltung der traditionellen Betriebswirtschaftslehre in Sparten wie Hotel-, Sport-, Tourismus-, Event- oder Kongress- bis hin zu „Aviation“-Management zu beobachten. Hinzu kommen Angebote in künstlerisch-gestalterischen, aber auch therapeutischen Bereichen, in Theologie wie in Sozialarbeit und ‑pädagogik. Bemerkenswert sind überdies zahlreiche Studienangebote, die zum einen als Fernstudium oder als „blended learning“, zum anderen als Duales Studium absolviert werden können.
Gemessen an der international üblichen fachlichen Breite von Hochschulsystemen fehlen allerdings auch nennenswerte Bereiche der Wissenschaften im nichtstaatlichen Hochschulsektor – abgesehen von jeweils einzelnen, durchaus bedeutenden Ausnahmen: So bilden die nichtstaatlichen Hochschulen derzeit kaum die Naturwissenschaften in ihrer auch ökonomisch bedeutsamen Breite – insbesondere Physik, Chemie, aber auch Materialwissenschaften sowie die Lebenswissenschaften – wettbewerbsfähig ab, noch weite Teile der Geisteswissenschaften. Die Gründe hierfür sind sicherlich darin zu sehen, dass nahezu alle nichtstaatlichen Hochschulen auf Studiengebühren als wesentliche Einnahmequelle angewiesen sind. Allein mit den derzeit damit erzielbaren Einnahmen können sie weder laborintensive Forschung betreiben noch ein befriedigendes Ergebnis im internationalen Forschungswettbewerb erzielen. Eine häufig anzutreffende Konzentration auf die Lehre und wissenschaftliche Angebote mit engen berufspraktischen Bezügen ist daher nachvollziehbar. Umso auffälliger sind die wenigen Hochschulen, die erfolgreich mit einem expliziten Forschungsanspruch auftreten, Anschluss an die internationale Forschung suchen und zur Vielfalt im deutschen Hochschulsystem beitragen – darunter auch einige „professional schools“, die mit diesem Profil neue Wege in Deutschland beschreiten. Um nicht nur international wettbewerbsfähige Lehre, sondern auch grundlagenorientierte Forschung betreiben zu können, sind neben den durchaus beachtlichen Studiengebühren dauerhaft erhebliche Zuwendungen durch Dritte, seien es Stiftungen, Sponsoren oder Forschungsförderer, notwendig.
Die Mehrzahl der nichtstaatlichen Hochschulen wählte bisher allerdings den Status einer Fachhochschule. Denn dieser Hochschultyp hat in Deutschland traditionell einen deutlichen Schwerpunkt in der Lehre, das Studium ist anwendungsnah, praxisorientiert und erfordert oft eine enge Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen. Die konsekutive Struktur der Lehrangebote bietet den Rahmen für ein zügiges und effizientes Studium. Die besonders ausgeprägte Serviceorientierung und die häufig günstigeren Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Lernenden bieten einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber zahlreichen öffentlich finanzierten Hochschulen und entsprechen den Erwartungen der Studierenden als „zahlender Kundschaft“. Die Höhe der Studiengebühren an diesen Fachhochschulen variiert beträchtlich, sie bewegt sich bei den vom Wissenschaftsrat akkreditierten Einrichtungen zwischen 3.000 und 7.000 Euro jährlich, im Schnitt müssen 5.000 Euro p.a. entrichtet werden, so dass ein Bachelor-Abschluss nach drei Jahren mit 15.000 Euro zu Buche schlägt – zuzüglich Lebensunterhalt.
Text: Dr. Dietmar Goll
Leiter des Referates „Hochschulinvestitionen, Akkreditierung“ in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates Köln
September 2011