搜狐网站
搜狐评论 > 文化评论

Reiner Utilitarismus kann genauso verheerend sein wie reiner Idealismus.

来源:经济观察网 作者:Dietrich Benner Peng Zhengmei
2011年09月13日18:12

  In welchem Maße darf Bildung instrumentalisiert werden? Welche Rolle spielen derzeit Bildungsziele in China und Deutschland, die auch die Entwicklung der Persönlichkeit mit berücksichtigen? Prof. Dietrich Benner und Prof. Peng Zhengmei im Gespräch.

  „Reiner Utilitarismus kann genauso verheerend sein wie reiner Idealismus.“

  Im Juli 2011 fand im Rahmen der von der Stiftung Mercator initiierten Veranstaltungsreihe „Aufklärung im Dialog“ ein Salon zum Thema „Aufklärung und Bildung“ statt. Im Anschluss an die Diskussion sprach Ralph Obermauer mit zwei Teilnehmern, Prof Dietrich Benner und Prof. Peng Zhengmei (彭正梅), über die Rolle von Bildung in der heutigen Zeit.

  Prof. Dietrich Benner ist seit 2009 emeritierter Universitätsprofessor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, seit 2008 ordentlicher Professor für Erziehungswissenschaft an der UKSW Warschau und seit 2004 Honorarprofessor an der East China Normal University in Shanghai.

  Prof. Peng Zhengmei ist Professor für Erziehungswissenschaft am Institut für Internationale und Vergleichende Erziehungswissenschaft, East China Normal University in Shanghai.

  Obermauer:

  Wenn es um die Rolle der Bildung und insbesondere der Hochschulbildung geht, betonen Sie beide sehr stark die Eigenlogik und das Nicht-Instrumentelle von Bildung. Auch die beiden historischen Figuren, zu denen Sie sich im Salon geäußert haben, Wilhelm von Humboldt und Cai Yuanpei (蔡元培), sahen die Instrumentalisierung von Bildung für wirtschaftliche oder politische Ziele kritisch. Wie steht es denn heute um dieses Ideal in Deutschland und China?

  Benner:

  Die These, dass Bildung in gar keinem Fall in den Dienst von irgendetwas genommen werden darf, halte ich für falsch. Natürlich muss Bildung ökonomisch und politisch auch genutzt werden können. Sie ist teuer und wird in einem Gemeinwesen öffentlich und zum Teil auch privat finanziert. Wir müssen uns aber über die Art der Instrumentalisierung unterhalten. Und da ist wichtig: Bildung muss diskursiv und reflexiv vermittelt werden und genutzt werden können. Wenn das sichergestellt ist, dann habe ich nichts gegen eine Instrumentalisierung von Bildung und Bildungsprozessen. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch in der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master nicht nur Gefahren, sondern auch eine Chance, und zwar die Chance zu einer Verknüpfung von Grundlagenforschung und berufs- und anwendungsbezogener Forschung. Reiner Utilitarismus kann genauso verheerend sein wie reiner Idealismus.

  Peng:

  Das sehe ich ganz ähnlich. In China sagt man immer, die Hochschulbildung solle vor allem der Gesellschaft dienen. Die Hochschule befindet sich mitten in der Gesellschaft, nicht außerhalb von ihr. China ist allerdings bezüglich der Hochschulbildung in einem besonderen Stadium. Die Verwaltung ist immer noch in der Hand des Staates, das chinesische Hochschulsystem ist immer noch sehr stark vom Hochschulsystem der ehemaligen Sowjetunion geprägt.

  Das heißt unter anderem, dass vor allem Studiengänge eingerichtet werden, die sehr gezielt der beruflichen Vorbereitung dienen. Im Jahr 1911, zu Beginn der chinesischen Modernisierung, vertrat Cai Yuanpei sehr leidenschaftlich den Gedanken einer unabhängigen Bildung. Mit der Gründung der Volksrepublik China 1949 verschwand diese Idee. Die Hochschulbildung wurde sehr stark staatlich instrumentalisiert und zentralisiert, die Hochschulen wurden praktisch zu einem Staatsorgan. Man hat aber mittlerweile erkannt, dass diese Instrumentalisierung der Hochschulen und ein totaler Utilitarismus nicht gut sind. Die heutige chinesische Hochschulreform ist wieder stärker am Gedanken unabhängiger Hochschulen und eines größeren Spielraumes für Bildung orientiert. Eine solche Orientierung dient dem staatlichen und gesellschaftlichen Interesse besser, denn eine kreative Hochschule kann später mehr zurückgeben und einen viel besseren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten als eine von außen gelenkte Hochschule.

  Obermauer:

  Die Bildungsdenker und -reformer der Aufklärung – ob im Preußen des 19. oder im China des frühen 20. Jahrhunderts – stellten ein Humanitätsideal in den Vordergrund, die allseitige Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, und sie sahen in Bildung die Voraussetzung für eine Partizipation mündiger Bürger an einem demokratischen Gemeinwesen, für eine Teilnahme am öffentlichen Diskurs. Bei allem Optimismus bezüglich derzeitiger europäischer und chinesischer Bildungsreformen - spielen solche Bildungsziele heute wirklich eine zentrale Rolle?

  Benner:

  Die Humboldtsche Reform sah vor, das Philosophieren im Bereich von Rechts- und Naturwissenschaften, Kultur-, Sprach- und Religionswissenschaften mit Forschung in diesen Bereichen zu verbinden. Reflexivität und empirische Forschung sollten in allen Disziplinen verbunden werden, um dann auch ein neues Berufsverständnis zu ermöglichen. So sollte ein wissenschaftlich gebildeter Theologe nicht nur Angestellter der Kirche sein, sondern ein theologisch ausgebildeter und räsonierender Mensch; so sollte der Jurist nicht nur Angestellter des Staates sein, sondern an der Weiterentwicklung von Recht und Rechtssystem mitwirken. Und an der philosophischen Fakultät sollten die künftigen Lehrer der neuen Schule ausgebildet werden. In einem Berliner Kabarett hat neulich der Kabarettist Volker Pispers die Frage gestellt: Wo ist der Ort, an dem der Lehrer noch als ein Intellektueller angesehen wird? Die ironische Antwort des Kabarettisten lautete: in der Provinz! Heute lachen wir darüber, aber das war das Humboldtsche Programm. An der Berliner Reformuniversität sollten unter anderem Lehrer ausgebildet werden, die moderne Formen des Denkens in die Provinz tragen können. Und diese Funktion, die Humboldt der Universität in seiner Reform um 1810 zugedacht hat, ist auch heute genau jene, welche die Universität durch die Verbindung von Grundlagenforschung, empirischer Forschung und Berufsausbildung in Bereichen wie Ökonomie, Recht, Politik, Gesellschaft, Erziehung, Religion und Kunst wahrnehmen kann.

  Peng:

  Vor der jetzigen Reform gab es im chinesischen Hochschulsystem für solche Werte keinen Platz. Doch die derzeitige Reform, die von der chinesischen Regierung selbst vorangetrieben wird, steht unter dem Vorzeichen von „Kreativität“. Kreativität kennt als ein wichtiges Element die individuelle persönlicher Vervollkommnung. Das ist nicht nur ein Ideal, sondern hat auch zahlreiche institutionelle Veränderungen angeregt. An den renommierten Unis, die auch als Vorreiter gelten, also etwa an der Peking-Universität und an der Fudan-Universität oder an der Xiamen Universität, führt man jetzt in Anlehnung an deutsche und amerikanische Modelle eine Art „General Education“ ein. Da werden die Studenten nicht mehr nur gezielt für einen Beruf vorbereitet, sondern allgemein gebildet. Darin drückt sich die Idee aus, dass ein Mensch harmonisch gebildet werden soll. Es gibt einen echten Reformwillen und dies nicht nur an den Vorbild-Unis. Ein anderes Beispiel ist, dass man es den Studenten erleichtert, das Studienfach zu wechseln. Früher war das ganz unmöglich. Es wird heute einiges getan, um den Studenten mehr Spielräume zu geben.

  Obermauer:

  Steht denn da wirklich der harmonische Mensch als Ziel im Vordergrund oder nicht eher eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei wirtschaftlich verwertbaren Innovationen? Schon bei der Bewegung des 4. Mai war ja das humanistische Aufklärungsideal sehr stark mit dem Motiv der nationalen Rettung verbunden, letztlich wurde also Bildung doch für ein externes Ziel instrumentalisiert. Unter den damaligen Umständen war das sicher sehr verständlich, heute aber ist es vielleicht kritikwürdiger, wenn sich alles, auch Bildungsreformen, letztlich am Ziel des Weltmarkterfolges ausrichtet. Auch in Deutschland gilt, Kreativität wird vor allem dann gefördert, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht.

  Peng:

  Kein Land kann es sich heute leisten, Bildung nicht auch für die wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen. Früher gab es in China eine direkte Einmischung des Staates in die Hochschulen, heute versucht man, staatliche Ziele auf indirekte Weise zu erreichen. Natürlich haben Sie recht, die Bewegung des 4. Mai hatte die Rettung des Vaterlandes im Sinn, die neue Kulturbewegung zielte auch auf eine Erneuerung der nationalen Größe Chinas. Cai Yuanpei hat sich jedoch schon damals für eine prinzipielle Unabhängigkeit der Bildung vom Staate eingesetzt und ist damit gescheitert. Heute sind Bildung und Bildungsreformen natürlich immer noch auch ein Instrument der Modernisierung und der Verbesserung der chinesischen Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Das ist auch heute ein Endziel. Aber die chinesische Regierung versucht heute, dieses Ziel durch größere Freiräume in der Bildungslandschaft zu erreichen. Auf diese Weise dient Bildung der chinesischen Entwicklung letztlich besser und mehr.

  Benner:

  Ich würde zwischen der inneren und der äußeren Ökonomisierung unterscheiden. Um eine äußere Ökonomisierung bin ich eigentlich weniger besorgt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Ausbildung von Juristen, Ärzten, Kulturwissenschaftlern, Mathematikern einer äußeren Ökonomisierung unmittelbar dienen soll. Wie sollen die Vertreter dieser Berufe denn linear und ohne Weiteres unmittelbar zur Steigerung der Produktion beitragen? Aber die innere Ökonomisierung ist problematisch. Mit der geringsten Anstrengung soll in der kürzesten Zeit nach einem Standardprogramm ein Maximum erreicht werden. Wenn das zur Motivation des Studiums, zur Motivation der Lehrer und der Studierenden und zum Maßstab des Leistungsvergleiches von Hochschulen avanciert, wenn nicht mehr die Inhalte, die theoretischen Fragen, die Kontroversen im Vordergrund stehen, dann muss man vor einer solchen inneren Ökonomisierung warnen und sich ihr widersetzen. Es gilt, die Studienordnungen so zu konzeptualisieren, dass nicht für jedes Semester genau festgelegt wird, was geschehen soll, sondern dass Spielräume für Reflexion und Innovation gewahrt werden. Variabilität muss möglich sein und die Studienordnungen sollten leicht änderbar sein und an neue Inhalte angepasst werden können.

  Peng:

  Die chinesische Hochschulpolitik will der chinesischen Entwicklung dienen. Das war allerdings bei der Gründung der Humboldt-Universität zu Berlin auch nicht anders. Als sie gegründet wurde, wurde der Philosoph Fichte ihr erster Rektor, der zuvor in seinen „Reden an die deutsche Nation“ die Deutschen aufgefordert hatte, im Zusammenhang mit der Französischen Revolution und den Niederlagen gegen Napoleon als eine frei denkende und handelnde Nation wieder aufzustehen! Wenn die chinesische Regierung heute den Hochschulen mehr Freiheit und Autonomie einräumt, heißt das natürlich nicht, dass jetzt lauter Regierungskritiker ausgebildet werden sollten. Das ist nicht das Ziel der chinesischen Bildungspolitik. Es wäre ja auch ganz und gar abwegig, wenn der Staat selbst vorzugeben versuchte, wie und zu welchem Zweck er zu kritisieren sei. Aber die chinesische Regierung hat inzwischen eingesehen, dass eine Universität, die fest in der Hand der Regierung ist und deren Vorgaben nur nachfolgt, nicht schnell genug auf die gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren kann.

  Benner:

  Man sollte auch zwischen der Ideologie von staatlichen Vorgaben und deren tatsächlicher Wirkung unterscheiden. In deutschen Lehrplänen steht, dass harmonische Persönlichkeiten ausgebildet werden sollen, die dann diszipliniert Großes in den Bereichen Frieden, Gerechtigkeit, Ökologie etc. hervorbringen können. Aber ob und wann solche Kompetenzen wirklich entstehen, wird durch entsprechende Formulierungen der Bildungspolitik nicht bestimmt. Kompetenzen entstehen durch Erfahrung, Reflexion und eigene Praxis, aber auch durch die Art der Diskurse und durch innovative Forschungsvorhaben. Der Staat hat gar nicht die Macht, den Output der Universitäten durch Zielformulierungen zu bestimmen, weder durch bildungsidealistische, noch durch utilitaristische Ziele. Er hat die Macht der Schwerpunktsetzung, Geldvergabe, Begünstigung von Studiengängen etc., aber was herauskommt, kann er nicht bestimmen. Als im 19. Jahrhundert auf Befehl des deutschen Kaisers die arabischen Wissenschaften an deutschen Universitäten institutionalisiert wurden, geschah dies, um die Entstehung deutscher Kolonien in diesen Regionen zu befördern. Das war jedenfalls das erklärte Ziel. Herausgekommen sind vergleichende Asienwissenschaften; zu dauerhaften Kolonien hat Deutschland es in Asien erfreulicher Weise nie gebracht.

  Teil 2: Über die Funktion der Universität als Ort der Einführung in Diskurs, in demokratische Partizipation und in gesellschaftliche Verständigung

  Obermauer:

  Aber die Rahmenbedingungen verändern natürlich die Möglichkeiten einer Universität und das, was die Universität in die Gesellschaft hineintragen kann. Früher war an den Universitäten sowohl in Deutschland als auch in China der politische Diskurs zuhause, die Auseinandersetzung und Verständigung darüber, wo die Gesellschaft hin will oder soll, die Bewertung von Entwicklungen. Das hat doch wohl stark abgenommen, unter anderem sicher auch wegen Strukturen, die an anderen Zielen ausgerichtet sind. Das wäre ja alles kein Problem, wenn Sie nicht beide selbst betonen würden, dass Bildung auch Einführung in Diskurs, in demokratische Partizipation, in gesellschaftliche Selbstverständigung sein sollte. Ein letztes Mal die Nachfrage, glauben Sie wirklich, dass es um diese Funktion gut steht?

  Peng:

  Die chinesischen Universitäten gehen heute einen pragmatischen Weg. Deshalb sind sie natürlich in Technologie, Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaft sehr praktisch orientiert. Viele Unis arbeiten auch direkt mit Unternehmen zusammen. Es stimmt schon, dass wenig politische Diskurse geführt werden. Das hat mehrere Gründe. Lehrer und Studenten interessieren sich heute nicht mehr so stark für öffentliche und politische Themen. Man hat die Leidenschaft, darüber zu diskutieren, wie sich die Gesellschaft entwickeln soll, verloren. Die Hochschulen sind wie die Gesellschaft insgesamt stark an wirtschaftlichen Interessen orientiert. Anfang der 80er Jahre war das noch ganz anders, die Leute waren politisch engagierter, man wollte mehr Freiheit für die Menschen und auch eine Verbesserung der materiellen Situation. Beides haben die Chinesen heute mehr oder weniger erreicht. Das steht einfach nicht mehr so sehr im Mittelpunkt. Man erkennt an den Universitäten außerdem auch, dass die Politik bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht auf die Akademiker nimmt. Was man nicht ändern kann, davon lässt man dann ab und konzentriert sich lieber auf Dinge, die man beeinflussen kann.

  Benner:

  Sie haben die Frage so gestellt, dass man mit einem „Ja“ auf keinen Fall antworten kann. Und das finde ich durchaus legitim. Um aber herauszufinden, inwiefern man mit „Ja“ und inwiefern man mit „Nein“ antworten kann, würde ich zwischen einem politischen Mandat der Universitäten und einem Mandat zur Aufklärung und diskursiven Reflexion im Medium von Öffentlichkeit unterscheiden. Ein unmittelbares, politisches Meinungsbildungsmandat dürfen Universitäten schon deshalb nicht haben, weil Wissenschaft und Politik zwei unterschiedliche Gesellschaftssysteme sind. Eine Verpflichtungzu Reflexion haben Universitäten gleichwohl in verschiedenen Hinsichten. Man muss erstens die Grenzen dessen, worum Wissenschaft weiß, thematisieren. Man muss zweitens die Geschichtlichkeit der wissenschaftlichen Entwicklung thematisieren, man muss drittens Folgenforschung betreiben und viertens die politischen Anschlussfragen und Alternativen diskutieren und bewusst machen. In diesen vier Bereichen geschieht sicher zu wenig und eine solche Reflexivität wird man nicht steigern können, wenn man bloß den Output im Sinn hat. Man sollte solche querliegenden Themen in den Curricula und den wissenschaftlichen Examensarbeiten wieder stärker verankern. Wir hatten in den 68er Jahren eine Bewegung der Studenten, Professoren und der Öffentlichkeit, die diese Fragen so weit ins Zentrum gerückt hat, dass die rein wissenschaftlichen Fragen kaum noch interessierten. Wir haben jetzt vielleicht eine Tendenz, bei der die rein wissenschaftlichen Fragen – Wissenschaft als Beruf im Sinne Max Webers – so sehr in den Vordergrund getreten sind, dass die anderen Fragen in Vergessenheit geraten. Universitäten oszillieren zwischen diesen Polen, heute müssen wir darum in die andere Richtung gegenhalten.

  Obermauer:

  Wenn das Problem bei der allgemein entpolitisierten Gesellschaft liegt, und das ist sicher eine richtige Diagnose sowohl für Deutschland als auch für China, dann lassen Sie mich die Frage noch allgemeiner stellen. Es geht ja beim Bildungsideal nicht nur um Hochschulpolitik, es geht um ein Humanitätsideal und um aufgeklärte demokratische Gesellschaft. Wie steht es denn also um die Öffentlichkeit ganz unabhängig von der Rolle der Hochschulen?

  Peng:

  Nicht nur China ist heute entpolitisiert, seit 1968 ist es auch in vielen westlichen Ländern zu einem Desinteresse an Politik gekommen. Andererseits gibt es aber heute in China auch die gegensätzliche Tendenz einer wachsenden Öffentlichkeit. Die Chinesen haben heute viele Kanäle, um ihre Meinung zu äußern. Man tauscht im Internet ganz frei und ungehemmt Meinungen aus, es gibt viele betriebsinterne und externe Kurse, in denen tatsächlich aus wissenschaftlicher Sicht über solche Probleme gesprochen wird. Natürlich ist das Internet noch von der chinesischen Regierung kontrolliert, aber der Austausch im Internet ist nicht nur gewagt, sondern auch sehr frei. Die Leute reden da über alles. Oft äußert man sich im Notfall anonym und vermeidet so Nachteile. Das heißt auch, dass Leute, die ihr Augenmerk auf soziale Probleme legen oder die etwa selber betroffen sind, heute selbst das Wort ergreifen. Sie warten nicht mehr auf die Intellektuellen. Die öffentliche Debatte in China ist momentan ziemlich rege.

  Benner:

  Wenn man die 68er Bewegung zum Maßstab nimmt, als sich die akademische Jugend als Avantgarde der Gesellschaft gefühlt hat, dann kann man heute von einer entpolitisierten Studentenschaft sprechen. Wenn man aber das, was politisch in Deutschland und Europa geschieht, anschaut, dann kann man das auch ganz anders sehen. Wir erleben gerade im Mittelmeerraum das Ende von Diktaturen und ein Aufkommen von Freiheitsbewegungen. Eine jahrzehntelange internationale Politik ist an ihr Ende gelangt und die ganzen Aufgaben und Schwierigkeiten, Demokratien vor dem Hintergrund autoritärer Systeme, wie es sie im Mittelmeerraum gibt, aufzubauen und zu entwickeln, treten ins öffentliche Bewusstsein. Wir haben in der Bundesrepublik den Ausstieg aus der Atomkraft als Energiequelle mit einer Gründlichkeit eingeleitet, wie wir es so vor fünf oder sechs Jahren nicht für möglich und konsensfähig gehalten haben. Wir haben im Bereich von Religion eine Islamismus-Diskussion, die die Notwendigkeit eines liberalen Islam erkennt und Pluralität in der Gesellschaft neu reflektiert. Ich sehe in vielen Bereichen politische Diskurse in Europa und Deutschland, wie man sie noch vor zwei oder drei Jahren für unmöglich gehalten hat. Wortführer ist allerdings nicht mehr die akademische Jugend. Es ist vielmehr ein generationenübergreifendes politisches Bewusstsein entstanden, dass es 1968 so gar nicht gegeben hat.

  Vielen Dank Ihnen beiden für Ihren Optimismus und für das Gespräch!

(责任编辑:UN848)
  • 分享到:
上网从搜狗开始
网页  新闻

相关推荐

我要发布

近期热点关注
网站地图

新闻中心

搜狐 | ChinaRen | 焦点房地产 | 17173 | 搜狗

实用工具